Die Schweiz hat ein ganz besonderes Wahlsystem im Hinblick auf die Mitglieder der Landesregierung. Die Mitglieder der Bundesversammlung ernennen die Bundesräte einzeln. Es gibt keine Listen, die Mitglieder der Versammlung können den Namen eines beliebigen Schweizer Bürgers auf den Zettel schreiben. Wer die meisten Stimmen erhält, wird gewählt. Wenn ein Bundesrat gewählt ist, kommt der nächste dran. Die Mitglieder der Versammlung geben ihre anschliessenden Stimmen in Funktion zur politischen Zugehörigkeit der Gewählten, zur Sprachzone, zum Kanton, zur Sensibilität gegenüber bestimmten Themen ab. In der Regel sprechen sich die Parteien im Vorfeld ab, es bleibt jedoch Freiraum für Vereinbarungen hinter den Kulissen und für Überraschungen in der letzten Minute. Bundesratswahlen haben in gewisser Weise etwas Unvorhersehbares. In der Republik Venedig, die langlebigste Nation Europas, wurde der Doge nicht nur gewählt, sondern auch ausgelost. Unvorhersehbarkeit bringt Gruppen dazu, sich nicht nur auf die eigenen Kandidaten zu konzentrieren, sondern auch, eine gewisse Auswahl an glaubwürdigen und verlässlichen Kandidaten parat zu haben.
Die Mitglieder des Bundesrats werden alle vier Jahre gewählt, nach den Parlamentswahlen. Die Regierung müsste in Funktion zu den politischen Ergebnissen, zu den Persönlichkeiten und Ideen gebildet werden, die bei der Wahl zu Tage treten. Der Bundesrat müsste, wie dies in fast allen Ländern der Welt der Fall ist, vier Jahre lang im Amt bleiben und dann neu gewählt werden. Die Bundesräte ziehen sich jedoch im Laufe ihres Mandats zurück, um ihren jeweiligen Parteien die Möglichkeit zu geben, neue Leute zu schicken. Nach der Wahl ist so gut wie sicher, dass die Leute bestätigt werden, denn eine nicht erfolgte Wiederwahl gilt als Seitenhieb auf die Partei. Ein Bundesrat wird so gut wie sicher wieder gewählt, auch wenn man weiss, dass er nicht bis zum Ende der Legislatur im Amt bleiben wird. Die Regierungsbildung wird nicht diskutiert. Die Ernennung der einzelnen Regierungsmitglieder ist fast eine reine Formalität. Diese Stafettenpraxis nach der Hälfte der Legislatur ermöglicht es den Parteien, die Diskussionen um die zu ernennenden Personen im Verborgenen zu halten. Durch dieses Wahlsystem hat die Schweiz seit über 150 Jahren ausgewogene Regierungen, deren Mitglieder unterschiedliche Ausrichtungen vertreten. Dabei sind jedoch vollkommen unverständliche Situationen entstanden. Niemand kann sagen, dass er das Amt des Bundesrats anstrebt. Die möglichen Anwärter können auch während der Wahlkampagnen der Bevölkerung nicht vermitteln, wie sie ihr Amt auszuüben gedenken. Im Gegensatz zu allen sonstigen demokratischen Ländern wird in der Schweiz während der Wahl nicht über die Führung der Nation diskutiert. Es fehlen der reguläre Ideenaustausch und die Debatte darüber, wie die Schweiz geführt werden soll. Die Regierungsparteien sind gezwungen, durch Unterschriftensammlungen für Verfassungsinitiativen Politik zu betreiben.
Es wurden Unterschriften für eine Initiative gesammelt, mit der die direkte Wahl des Bundesrates vorgeschlagen wird. Ich bin nicht davon überzeugt, dass das die richtige Lösung ist. Mit Sicherheit kann die Diskussion über die Personen, die das Land führen sollen, nicht immer im Verborgenen bleiben. Die Bundesversammlung muss die Stafettenpraxis überdenken und auf ein System übergehen, in dem die gesamte Führungsriege der Regierung nach der Bundeswahl vollumfänglich überdacht wird. Räte, die nicht garantieren, dass sie die nächsten vier Jahre bei der Stange bleiben, dürfen nicht wiedergewählt werden können.