Die Schweiz gilt als eine Nation, in der alles gut funktioniert. Das politische System der Schweiz hat verschiedene Besonderheiten, wie die direkte Demokratie, den Föderalismus, die Bürgerwehr und das Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen. Keines dieser Elemente allein ist jedoch ausschlaggebend für den Erfolg, denn vergleichbare Einrichtungen gibt es auch in anderen Ländern, in denen die Dinge nicht richtig funktionieren.
In einer derart komplexen und sich ständig ändernden Welt wie der heutigen, müsste sich das politische System der Schweiz, das bekannter Massen langsam ist, eigentlich als unzureichend erweisen. Autoritäre Regimes, in denen unmittelbare Entscheidungen getroffen werden können, müssten sich als effizienter in dieser Situation heraus stellen. Jedoch ist das genaue Gegenteil zu beobachten, nämlich, dass autoritäre Regimes in Schwierigkeiten sind und in der Schweiz alles klappt. Offensichtlich ist der Erfolgsfaktor nicht in der schnellen Reaktionsfähigkeit zu suchen, sondern vielmehr in der Qualität der Analyse, der Möglichkeit, viele verschiedene Meinungen anzuhören und der objektiven Auseinandersetzung. Autoritäre Regimes haben eine beschränkte Sicht, die nicht zur Diskussion gestellt wird und der komplexen Welt von heute nicht mehr entspricht. Die bipolaren Systeme (Mehrheitssystem) haben stabile Regierungen, die in der Lage sind, schnell zu agieren, jedoch zu einer parteiischen Sicht der Dinge tendieren, die nicht immer der Realität entspricht. Mit jedem Regierungswechsel werden Dinge anders ausgelegt und demzufolge die Leistungen der Vorgängern vernichtet.
In allen Bereichen hängt die Möglichkeit, echte Lösungen zu finden, zunächst einmal von der Fähigkeit ab, die jeweilige Situation objektiv analysieren zu können. Wenn man nicht gerade sehr viel Glück hat oder ein Genie ist, ist es nicht möglich, richtige Lösungen zu finden, ohne das jeweilige Thema sorgfältig zu vertiefen. In der Regel erfolgen situationsbezogene Analysen und die Erarbeitung von Lösungsansätzen sorgfältiger, wenn mehrere Personen konsultiert werden.
Das politische System der Schweiz scheint, im Vergleich zu den Systemen anderer Länder, eher in der Lage zu sein, die Dinge von mehreren Blickwinkeln aus zu betrachten und objektiv zu analysieren. Die Fähigkeit, Problemen auf den Grund zu gehen, die Meinungen der anderen anzuhören, nicht nach bereits vorgefassten Kriterien zu denken - das ist das überzeugende Merkmal, durch das sich die Schweizer Politikkultur auszeichnet.
Der gezielte Ansatz bei Problemlösungen ist besonders in den Berichten der Kommissionen und Verwaltungsbehörden auf Bundesebene zu spüren. Es ist zur Gewohnheit geworden, erreichte Ziele auf im grossen und ganzen objektive Weise bekannt zu geben, aber auch auf Mängel und Unzulänglichkeiten der umgesetzten Bestimmungen hinzuweisen.
Die Gewohnheit, frei zu denken, ist auch an den Volksabstimmungen abzulesen. Die Bürger machen sich selbst ein Bild und berücksichtigen bei ihrer Entscheidung die Meinung der jeweiligen Parteien, denen sie angehören, fühlen sich dabei jedoch in keiner Weise eingeengt. Die Achtung vor den Meinungen anders Denkender ist ganz besonders offensichtlich bei Volksabstimmungen. Auch diejenigen, die verloren haben, akzeptieren die Mehrheit und unterwerfen sich den neuen Regeln.
In einer komplizierten und sich wandelnden Welt geben die Achtung und die ständige Auseinandersetzung mit divergierenden Meinungen den Ausschlag für den Erfolg, auch wenn dies sehr mühevoll und augenscheinlich wenig Gewinn bringend ist. Exekutivorgane und Parlamente, die eine sehr diversifizierte Bevölkerung vertreten, die sich gegenseitig zuhören, sich respektieren und zusammen arbeiten, haben mehr Chancen, weiterbringende, praxisbezogene und innovative Lösungen zu auszumachen.
Es wäre interessant, im Schweizer System, das bereits auf die gegenseitige Achtung unterschiedlicher Ideen ausgerichtet ist, systematisch einen Ansatz einzuführen, der auf die Bewertung der Ressourcen und positiven Auswirkungen von Veränderungen abzielt. Dies würde uns in die Lage versetzen, langfristig zukunftsorientierte Vorschläge und Lösungen zu entwickeln, die die vorhandenen Rahmen sprengen.